Rüschen, Reiz, Romantik

Zwei Schwestern aus Sydney erobern die internationale Modewelt
mit einer Mischung aus Anmut und Lebensfreude. Ihr Label ­Zimmermann steht für feminine Silhouetten, farbenfrohe Prints und un­beschwerte Sommerstimmung – Mode, die sofort Urlaubs­gefühle weckt und Leichtigkeit zum Lebensstil macht.

Von Silke Wichert

Irgendwo auf der Welt ist bekanntlich immer ­Sommer, und mittlerweile steht auch fest, was ­viele Frauen irgendwo auf der Welt dabei am liebsten tragen: romantische Rüschenkleider, be­druckte Leinensachen oder verspielte Swimwear von Zimmer­mann. Kaum ein Label wird so sehr mit Leichtigkeit, gutem Wetter, noch besserer ­Laune und Ferienstimmung assoziiert wie die Marke aus Australien – erst recht, seit die Stücke häufiger in der Serie „The White Lotus“ auftauchten. Bereits in der zweiten Staffel trug Daphne (gespielt von Meghann Fahy) die fließenden, sorglos luxuriösen Entwürfe; in der kürzlich ausgestrahlten dritten Staffel, die in einem Luxusresort in Thailand spielt, war die Mittvierzigerin Laurie (Carrie Coon) in einem Trägerkleid mit Tropenprint sowie einem Badeanzug aus der aktuellen Kollektion zu sehen. Auch Piper (Sarah Catherine Hook), um die 20, ­hatte ein Zimmer­mann-Kleid an: lang, rückenfrei, mit „Ginger Paisley“. Das weiß man übrigens nicht, weil die PR-­Abteilung der Marke es sofort auf Insta­gram vermeldet hätte, sondern weil angefixte Zu­schauerinnen sich akribisch auf die Suche machten und ihre Rechercheergebnisse teilten.

„Ich sollte das jetzt wahrscheinlich nicht sagen“, gesteht Simone Zimmermann, „aber ich habe nur die erste Staffel gesehen. Ich weiß gar nicht, wo unsere Sachen in der Serie genau vorkommen.“ „Aber mir hast du dann getextet, ob ich es gesehen hätte, wenn dich wieder jemand darauf angesprochen hat!“, schiebt ihre Schwester Nicky lachend hinterher. Die Stylistin der Serie, Alex ­Bovaird, wählte einfach aus und kaufte ein, was ihr für das Setting am authentischsten erschien: Dolce & Gabbana, abgefahrene Vintage-Teile aus einem Shop in Barcelona, ein bisschen Jacquemus, Valentino – und viel Zimmermann. „Wir hatten nur so eine ­Ahnung, dass wieder etwas von uns dabei sein würde“, sagen die beiden Schwestern.

Optimismus ist immer gefragt

Überhaupt haben Simone und Nicky es selten darauf angelegt, möglichst groß herauszukommen, sondern in erster Linie ihr Ding gemacht. Die Anfänge des Labels sind längst legendär: ­Nicky, 21, frisch mit dem Designstudium fertig, fing 1991 in der elterlichen Garage an, Kleider zu nähen. Ihre ersten ­Kundinnen waren die Nachbarinnen, am Wochenende verkaufte sie auf den Märkten in Paddington, einem trendigen Viertel von Sydney, ihre Kreationen. „Das habe ich sogar noch ziemlich lange gemacht“, sagt Nicky Zimmermann, „weil das sehr gut lief und schon mal die wichtigsten Kosten deckte.“

Vor allem aber hatte sie so direkten Kontakt zu den ­frühen Fans ihres Labels und sah deren Reaktionen. Sie ­merkte, dass sie mit ihrer eigenen Vorliebe für „unbedingt ­feminine ­Ästhetik“ nicht allein war, dass Optimismus immer gefragt ist – und dass Romantik keineswegs antiquiert, sondern auch modern sein kann. Die eine oder andere Rüsche? Schadet nie. Die Geschäfte liefen so gut, dass Nicky bald ihre Schwester ­Simone überredete, mit einzusteigen. Noch heute kümmert sich die ­ältere der beiden, Simone, als Chief Operations Officer vor ­allem um das Geschäftliche. Manche nennen sie auch „die Stimme der Vernunft“ in der Firma, während Nicky als Crea­tive Director die meiste Zeit im Designstudio verbringt.

Fliessend, frei und unbeschwert

Letztlich machte Zimmermann Resort Wear, bevor diese Kategorie (einst nur einer kleinen ­Gruppe von Kundinnen vorbehalten) zu einer Goldgrube wurde und sämtliche Labels heute ­Holiday Cap­sules lancieren. „Ich erinnere mich, dass wir im Studium einmal die Cruise Collection eines großen Modehauses durchnahmen“, erzählt Nicky Zimmermann. „Ich empfand die Sachen als sehr adrett und klassisch, mit vielen Segelbooten“ – nicht so fließend, frei und unbeschwert wie sie und ihre Freunde es am Meer liebten. Wie so ­viele Australier sind die Schwestern vor allem im ­Freien groß geworden; als Jugendliche schauten sie mit ihren Freunden Surferfilme, noch heute ­wohnen beide ganz nah am Meer.

Leichtigkeit prägt ihre Ästhetik durch und durch, ohne dass sie dabei allerdings auf gute Schnitte und hochwertige Stoffe verzichten. „Jedes Teil muss bei uns seinen eigenen Charakter haben und Spaß vermitteln“, sagt die Chefdesignerin, „selbst wenn wir beispielsweise eine Cargohose ent­werfen, dann mit ein bisschen Schlag und einer tollen Schnalle, damit es etwas Besonderes ist, das nicht überall zu haben ist.“

Anfang der Neunziger eröffneten die beiden ihren ersten Store in ihrer Heimat, im Lauf der Jahre wurden es zwanzig. Erst danach wagten sie den Sprung über den Ozean nach Amerika und ­Europa, wo vor allem die Bademode zum Geheimtipp geworden war.

Am anderen Ende der Welt

Nicky Zimmermann kommt gerade aus dem Designstudio, wo sie den Sommer der Zukunft bestimmt. Die Frau mit den langen ­dunklen Haaren sitzt an diesem Nachmittag in einer weißen Leinenbluse vor dem Bildschirm. Ihre blonde Schwester trägt eine bedruckte, weit geschnittene Tunika mit Gürtel an der Taille. „Wir sind hier sehr weit weg von allem“, sagt ­Nicky, „aber dieser Abstand war für uns immer sowohl Nachteil als auch oft Vorteil.“ Was sie damit meint? Sie hätten nicht ­ständig auf die Kollektionen der großen Labels in Paris oder Mailand geschielt – zwar waren sie früh bei Online-Boutiquen wie My­theresa vertreten, standen als aus­tralisches Label, von „irgendwo am anderen Ende der Welt“, aber nicht so sehr unter Beobachtung in der Modewelt. „Als wir 2011 den ersten amerikanischen Store in Beverly Hills er­öffneten, waren wir schon zwanzig Jahre im Geschäft und wussten genau, was wir taten“, erzählt Simone Zimmermann.

Fast siebzig Boutiquen sind es mittlerweile weltweit, noch Ende des Jahres wird die nächste im Tuchlaubenhof in Wien eröffnet. Jeder Laden ist anders und wird individuell eingerichtet, mehrheitlich noch immer von derselben Person, die schon die Läden in Australien am Anfang entwarf. „Die Einrichtung soll persönlich sein; widerspiegeln, wer wir sind“, sagt Nicky Zimmermann. Heißt: offen, humorvoll, familiär, bunt, ein bisschen verspielt. An der Decke hängen Vintage-Leuchter; dazu ein bisschen Kunst, ausgesuchte Bücher – als wäre man bei jemandem zu Hause. Und natürlich ist bei dieser Person gerade Sommer. 

Zurück zum Boho-Stil

Der Nachname Zimmermann stammt von ihrer Großmutter, die 1955 mit ihren zwei Kindern von Hamburg nach Sydney gezogen war. Deren Schwester, Tante Herta, lebte ihre Freiheit im Australien der 70er-Jahre auch modisch aus – dieser Boho-­Stil prägt die Nichten seit jeher. Dass er jetzt dank der ­neuen Chloé-Designerin Chemena Kamali und Valentino unter Alessandro Michele wieder Trend ist, beflügelt die Nachfrage noch einmal mehr: Im letzten Geschäftsjahr machte Zimmermann nach Medienberichten rund 450 Millionen Euro Umsatz, 2023 erwarb die amerikanische Private-Equity-Firma Advent Inter­national eine Mehrheitsbeteiligung.

Aus dem Start-up in der elterlichen Garage ist eine ziemlich professionelle Megabrand geworden, mit Runway-Shows in Paris und eigenen Design-Departments für Accessoires, die nun ebenfalls in der französischen Modehauptstadt sitzen. ­Taschen, Schuhe, Sonnenbrillen – das volle Programm. Alle sechs Wochen fliegt Nicky deshalb nach Europa. „Danach bin ich jedes Mal wieder froh, zurück im entspannten Sydney zu sein!“, gesteht sie. „Aber ein paar Tage später will man gleich wieder hier weg“, ergänzt Simone lachend.

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