Retro, weich, unaufdringlich – die Kopfbedeckung der Stunde
Sie war Nachthaube, Hippie-Statement und Filmstar. Jetzt erobert die Häkelmütze den Spätsommer – leise, lässig und mit einer Geschichte, die so reich ist wie ihre Maschen.

Ende August liegt in der Luft dieses kaum merkliche Kippen der Jahreszeit. Die Abende sind noch warm genug für offene Fenster, aber morgens hängt der Nebel schon tiefer über den Straßen. Der Sommer ist noch da, nur ein bisschen müde geworden. Und genau in diesem Moment, zwischen Sonnencreme und Kaminanzünder, taucht sie auf: die Häkelmütze. Nicht als laute Modeansage, sondern als stilles Detail, das sich wie von selbst in den Blick schiebt. Ein Mädchen im Slip Dress wirft sich eine gehäkelte Mütze über die langen, leicht feuchten Haare. Ein junger Mann auf dem Rad trägt sie zum weißen T-Shirt und weiter, schmaler Hose. Man sieht sie in Straßencafés, auf dem Markt zwischen den letzten Pfirsichen und den ersten Kürbissen. Sie ist da – und sie passt genau jetzt.
Ihre Geschichte beginnt lange vor TikTok und Instagram. Im 19. Jahrhundert war sie als Nachthaube Teil einer ganz anderen Welt: Baumwolle, feine Wolle, oft mit Spitzenrand, um aufwendig frisierten Locken Schutz zu bieten. In den 1920er Jahren wanderte sie ins Tageslicht, verziert mit Satinbändern und Perlen. Die 50er machten sie zur alternativen Badehaube, die 70er zum Symbol einer Generation, die Grenzen nicht akzeptierte. Selbst Ende der 1990er und Anfang der 2000er hatte sie ihren Auftritt: Cameron Diaz trug sie lässig in einer Talkshow, Anne Hathaway machte sie im Film zu einem Accessoire voller Sixties-Anklänge. Dann verschwand sie wieder – bis jetzt.
Im Spätsommer 2025 wirkt sie wie gemacht für diesen Übergang. Leicht genug, um den Kopf nicht zu überhitzen, aber warm genug für den ersten Windhauch, der nach Herbst riecht. Minimalistische Modelle kommen in Oliv, Taupe oder Graublau daher, die Boho-Versionen in Rostrot, Senfgelb, Tannengrün, oft mit Fransen oder eingehäkelten Blumen. Manche tragen sie tief in die Stirn gezogen, andere locker nach hinten geschoben, sodass Haarsträhnen herausfallen.
Die Materialien spiegeln die Zwischenzeit: Baumwolle und Leinen für sonnige Nachmittage, feine Wollmischungen für frische Morgenstunden. Labels wie Kroon 02 setzen auf Metallic-Fäden oder Perlenakzente, Giorgio Armani auf gewebte Struktur, Prada auf eine gehäkelte Baskenmütze in Karamell, Loro Piana auf Seide-Kaschmir-Mischungen, die fast schwerelos wirken. Doch genauso begehrt sind Modelle von Handwerksmärkten, Etsy-Shops oder Flohmärkten – Unikate mit kleinen Unregelmäßigkeiten, die zeigen, dass sie nicht vom Band kommen.
Wer durch die Stadt geht, erkennt die Häkelmütze in allen Stilwelten. In Wiener Bobo-Bezirk Neubau sitzt sie über einem Kurzhaarschnitt, kombiniert mit Oversize-Blazer und glänzenden Loafers. In Paris Montmartre begleitet sie eine Frau in langer Strickjacke und Seidenrock. In Antwerpen blitzt sie unter der Kapuze einer Pufferweste hervor, während Sneakers und lange Socken den Look sportlich brechen. Sie kann nostalgisch wirken oder futuristisch, verspielt oder streng – und vielleicht ist es genau das, was sie so aktuell macht.
Auf Social Media ist die Häkelmütze längst nicht nur ein Styling-Objekt, sondern auch ein DIY-Phänomen. TikTok-Clips zeigen Hände, die Garn um die Nadel legen, Masche für Masche. Pinterest ist voller Farbpaletten, Musterideen und Tutorials. Häkeln gilt hier nicht als altmodisch, sondern als Luxus der Langsamkeit – ein Gegenentwurf zu Fast Fashion, passend zu einer Zeit, die bewusster und persönlicher werden will.
Dass sie Ende August schon überall auftaucht, ist kein Zufall. Sie ist das perfekte Kleidungsstück für diese kurze Phase, in der der Sommer nicht mehr ganz jung ist und der Herbst schon an die Tür klopft. Vielleicht wird sie im Winter von dickeren Strickbeanies verdrängt, aber im Hier und Jetzt gehört sie dieser Zwischenzeit allein. Die Häkelmütze 2025 ist kein flüchtiger Trend, sondern eine Einladung, den Übergang zu genießen – Masche für Masche, Tag für Tag.
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